CVJM Baden Aktuell
Passen CoWorking und Kirche zusammen?
Inspirationstag mit 60 Teilnehmenden beim CVJM Heidelberg-Mitte zeigt, wie kirchliche Räume mit New Work verbunden werden können
Passen CoWorking und Kirche zusammen?
Die ökumenische Arbeitsgruppe aus der Evangelischen Landeskirche Baden und der Erzdiözese Freiburg (Coworking und Kirche (ebfr.de)) hat zu dieser Frage einen lebendigen Inspirationstag im Café Licht im südlichen Heidelberg organisiert. In den Räumen eines ehemaligen evangelischen Kindergartens befinden sich CoWorking-Plätze und ein gemütliches Familien-Café mit Außenbereich, das engagierte Mitglieder des CVJM Heidelberg-Mitte während der Pandemiezeit ins Leben gerufen haben. Heute sitzen hier Gäste aus allen Bereichen der christlichen Kirchen mit Laptops an Café- und Arbeitstischen und testen das CoWorking. Nach dem Mittagessen werden Online-Gäste zugeschaltet, Vorbildprojekte vorgestellt und abschließend viele Fragen in Workshops in Kleingruppen diskutiert. Wir haben einige Stimmen eingefangen, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie viel kreative Energie vor Ort spürbar war:
„Hier wird man gesehen – und zwar als Mensch!“
Marian Schirmer, Betriebsseelsorger der Diözese Rottenburg-Stuttgart, interessiert sich für die Gründe, die Menschen zur Nutzung von CoWorking-Spaces bewegen. Das Arbeiter-Zentrum der katholischen Betriebsseelsorge in Böblingen, für das er tätig ist, verfügt über ein großzügiges Foyer, in dem CoWorking-Spaces möglich wären. Er vermutet, dass auch in der Region Bedarf besteht. Bei der Entwicklung hin zu flexiblen Arbeitszeiten und -orten sieht er sowohl Vorteile als auch Nachteile: Einerseits wird ihm im Arbeiter-Zentrum viel von Vereinsamung berichtet und wie das Fehlen der täglichen Begegnungen und des informellen Austauschs, beispielsweise an der Kaffeemaschine, das Betriebsklima verschlechtert hat.
Andererseits ist es Eltern mit kleinen Kindern nur auf diese Weise möglich, weiterhin am Erwerbsleben teilzunehmen, da Kinderbetreuung oft unzuverlässig oder unbezahlbar ist. Nach seiner Erfahrung suchen die Menschen dringend nach Orten, an denen sie „als Mensch gesehen werden“, also nicht nur als wirtschaftliche Ressource oder anonymer virtueller Mitarbeitender. CoWorking-Spaces und vielleicht auch ein entspannter Café-Bereich könnten ein interessantes Angebot im Arbeiter-Zentrum sein, um niedrigschwellig Kontakt zu unterschiedlichsten Menschen aufzubauen.
Vielfältig – Kirche – Zuhause
Für Ann-Kristin Oßa war die lockere, angenehme Atmosphäre und der Austausch mit der CoWorking-Community im Café Licht vor einigen Jahren eine große Hilfe, ihre Selbständigkeit als Trauerrednerin trotz kleiner Kinder in die Tat umzusetzen. Inzwischen ist sie beim CVJM hauptamtlich angestellt, kümmert sich unter anderem um Familienförderung und ist ein multifunktionaler Teil des Teams. Hier hat sie „Gemeinschaft, Familie und Zusammenhalt“ gefunden, als sie es dringend gebraucht hat, und unterstützt nun durch ihre Arbeit andere Mitglieder der Community.
Die Nachfrage nach Café- und CoWorking-Plätzen ist groß. Gäste kommen teilweise aus Mannheim und den umliegenden Orten, um in dieser angenehmen Atmosphäre zu arbeiten und ihren Tag zu verbringen. Mit Klettergerüst und Umzäunung können die Kinder im Außenbereich frei spielen – derzeit wird sogar erwogen, CoWorking-Zeiten mit Kinderbetreuung anzubieten. Im Café finden regelmäßig Community-Gottesdienste und diverse Kulturveranstaltungen statt. Um das Café Licht am Laufen zu halten, ist allerdings viel persönliches Engagement aller Beteiligten notwendig. Das CoWorking läuft auf Spendenbasis; als Entgelt können zum Beispiel auch Schichten im Café übernommen werden. Ohne permanentes Fundraising wäre das Projekt nicht umsetzbar.
Der Bedarf ist da und die Kirche ist dafür gut aufgestellt!
Der zweite Teil der Veranstaltung bestand aus kurzen Impulsvorträgen zu vorbildlichen, bereits laufenden Projekten. Im ersten Beitrag betonte Moritz Meidert (Kommune Zukunft, Konstanz), dass er klar dagegen ist, kirchliche Gebäude in großem Stil zu verkaufen. Aus seiner Erfahrung, unter anderem als Berater für kommunale Kooperationsräume, sieht er großes Potenzial im kirchlichen Immobilienbestand. Die Gebäude verfügen zumeist über große Räume, die sich für eine Vielzahl an Nutzungskonzepten eignen. Sie sind oft prominente Bestandteile der Ortskerne, haben Geschichte und erfüllen wichtige soziale Funktionen. Warum sollte die Kirche dieses Potenzial aus der Hand geben und sich aus den Orten zurückziehen, anstatt gemeinschaftsbildende und soziale Angebote zu schaffen?
Das Herzensprojekt von Moritz Meidert liegt im Zentrum von Konstanz – das erfolgreiche „New Work“-Projekt in der bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts profanierten katholischen Chorherrenstiftskirche St. Johann. Hier werden CoWorking-Angebote durch abendliche Kulturveranstaltungen ergänzt – ähnlich wie im Café Licht in CVJM Heidelberg-Mitte.
Natürlich muss ein CoWorking-Projekt gut geplant sein: notwendige Investitionen, wirtschaftliche Tragfähigkeit, ausreichende Auslastung und ein lebendiger Betrieb müssen durchdacht werden. Gemeinschafts- oder Außenbereiche zur „Mobilisation“, „Silent Places“ (akustisch getrennte Bereiche) und natürlich ein hervorragender Internetanschluss sind Standardvoraussetzungen für erfolgreiche CoWorking-Spaces. Das weiß auch Dietmar Sendelbach, der als Leiter der Diözesanstelle Hochrhein in Waldshut seit einem Jahr den „FridoSpace“ betreibt. In den kirchlichen Räumen werden acht Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt. „Wir erleben seit einem Jahr eine ganz neue Belebung und Vernetzung mit Menschen, die sonst nie unsere Räume betreten würden,“ erzählt Sendelbach.
Stefanie Krause berichtet von ihrem spannenden Weg mit dem „Guten Haus“ in Butzbach (Hessen) und davon, wie das Projekt ohne die vielen „Talente“ – wie sie die engagierten Ehrenamtlichen nennt – unmöglich wäre. Im „Guten Haus“ werden unterschiedliche Bildungsangebote gemacht, sowie „CoWorking Toddler“ angeboten, bei dem Kinder betreut werden, während das Elternteil vor Ort arbeitet. In den folgenden Vorträgen werden weitere spannende Projekte wie die "Villa Gründergeist" in Frankfurt und der "FridoSpace" in Waldshut vorgestellt und diskutiert. Auch die online zugeschalteten Teilnehmenden bringen Fragen ein, die in Kleingruppen weiter diskutiert werden.
Energie und Gestaltungswille
Allen Anwesenden war bewusst, dass die christlichen Kirchen über einen großen, wertvollen Immobilienbestand verfügen, dem sinkende finanzielle Mittel und Mitgliedszahlen gegenüberstehen. An vielen Orten werden Immobilien veräußert, weil die Kosten des Betriebs und der Instandhaltung kaum zu tragen sind und keine wirtschaftlich tragfähigen Nutzungskonzepte für leerstehende kirchliche Immobilien gefunden werden.
Unter den Teilnehmenden des Inspirationstages war jedoch der lebendige Wille zu spüren, christliches „Community“-Leben gemeinsam neu zu denken. Dabei lag der Fokus auf den Chancen, die der kirchliche Immobilienbestand bietet, wenn engagierte „Talente“ gefunden werden, die mit kreativen Angeboten den aktuellen Bedarf decken.
Hast du Fragen zu den genannten Projekten oder zum CoWorking in kirchlichen Räumen im Allgemeinen, weil du in Betracht ziehst, ein vergleichbares Projekt zu starten? Kennst du Projekte in der Evangelischen Landeskirche Baden oder im CVJM Baden, bei denen CoWorking-Konzepte geplant oder umgesetzt werden? Wir sind sehr neugierig auf deine Ideen und stellen sie gerne als Vorzeigeprojekte vor!
Bei Fragen: Göran Schmidt, goeran.schmidt@ekiba.de
Autoren:
Katharina Schindelmeier (Referentin für Nachhaltigkeit im kirchl. Bauen, Erzb. Bauamt Heidelberg) und ergänzt durch Tobias Aldinger (Referent für Glaubenskommunikation und das Bonifatiuswerk der Erzdiözese Freiburg) und Göran Schmidt, Diakon und Neulandentdecker für FreshX und neue Formen von Kirche bei den missionarischen Diensten der Evangelischen Landeskirche Baden
Fotos: KS
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